Mit dem Hausboot durch Västra Götaland

Eigentlich hatte wir den Plan im August 2018 eine ein-wöchige Kajaktour über die beiden Seen Stora Le und Lelang in der schwedischen Provinz Västra Götaland zu machen. Unsere Reise sollte uns dabei von dem kleine Städtchen Ed am Südzipfel des Stora Le nach Bengtsfors am Südzipfel des Lelang führen. Beide Seen bilden ein umgedrehtes „V“. Der Rücktransport der Kajaks von Bengtsfors zum ca. 32 km entfernten Ed wird dann auch in der Regel vom Kajakverleih mit organisiert. 

Allerdings ist dann alles ganz anders gekommen… 2018 war nicht nur bei uns in Deutschland ein extrem trockener Sommer, sondern auch in Schweden. Daher gab es einige Wochen vor unserem geplanten Urlaub schon Waldbrände und auch unsere Region war betroffen. Um Ed oder die beiden Seen selbst gab es zwar keine Brände, dennoch herrschte in ganz Schweden ein absolutes Feuerverbot im Freien (das galt selbst für den eigenen Garten).  

Im Sommer muss man in Schweden normalerweise immer mit Einschränkungen rechnen. Dabei gibt es zunächst ein Verbot für Lagerfeuer außer man verwendet die speziell angelegten Feuerstellen an den Lagerplätzen, von denen es über 100 um die beiden Seen gibt. Auch ohne ein solches Verbot sollte ein Feuer nur an speziell dafür ausgewiesenen Plätzen gemacht werden. Die nächste Stufe, die dann erreicht wird ist das generelle Verbot von Lagerfeuer. In so einem Fall dürfen nur noch Gas- oder Benzinkocher verwendet werden. Darauf hatten wir uns vorbereitet und extra mit einem Gaskocher geplant (wobei wir die Gaskartuschen erst in Schweden gekauft hätten da man diese nicht im Flugzeug transportieren darf). Im Sommer 2018 jedoch war die Situation so sehr angespannt, dass selbst Feuer mit Gas- oder Benzinkocher verboten waren. 

Auf dem Lelang (Bild: Björn Gosdzik)

Die Aussicht auf eine Woche in der Wildnis von Schweden, ohne die Möglichkeit zu haben abends eine warme Mahlzeit zu kochen, morgens eine Tasse Tee oder Kaffee zu trinken und auch auf das romantische Lagerfeuer zu verzichten… fanden wir irgendwie nicht so toll.  So hat sich Claudia auf die Suche nach einer Alternative gemacht und tatsächlich etwas gefunden, das definitiv unseren Urlaub gerettet hat: ein „Hausboot“ wobei das Haus vom Boot gezogen wird. Ich war zunächst skeptisch da ich mich eigentlich schon auf Outdoor pur mit Zelten und allem was dazu gehört, gefreut habe. Aber am Ende waren wir beide der Überzeugung, dass der Urlaub nicht hätte besser sein können. 

Anreise 

Für die Anreise hatte wir uns für einen Direktflug von Düsseldorf nach Göteborg entschieden. Da wir noch am selben Tag mit dem Hausboot losfahren wollten konnten wir uns leider keine Zeit für etwas Sightseeing in Göteborg nehmen. 

Von Göteborg kommt man eigentlich mit dem Bus und/oder Bahn relativ gut nach Ed. Allerdings mussten wir ja umplanen und das Hausboot jetzt in Bengtsfors abholen und nicht wie geplant in Ed starten. Außerdem wollten wir nach einer Woche Outdoor noch 5 Tage Oslo dranhängen, daher sind wir auch von Oslo zurückgeflogen. 

Von Göteborg gibt es eine relativ gute Bahnverbindung in die norwegische Hauptstadt die auch über Ed gefahren wäre. Von Bengtsfors aber hätten wir es am letzten Tag zeitlich nicht geschafft, erst mit Bus/Bahn nach Ed oder nach Göteborg und anschließend nach Oslo zu fahren (obwohl es „nur“ 32 von Bengtsfors nach Ed sind). Ganz zu schweigen von dem ganzen Gepäck für 7 Tage Outdoor und 5 Tage Stadturlaub (da sind wir inzwischen doch schon ziemlich gemütlich geworden). 

Daher haben wir uns dann doch recht kurzfristig entschieden, ein Mietwagen zu nehmen. Damit brauchten wir ca. 1,5 – 2 Stunden von Göteborg nach Bengtsfors (und am letzten Tag auch zurück) und konnten auch direkt auf dem Parkplatz bei unserem Hausbootverleiher parken. 

Gemütlicher Abend (Bild: Björn Gosdzik)

Verpflegung 

Wenn man einen Outdoor-Urlaub macht, dann ist das mit der Verpflegung ja so eine Sache. Es darf nicht zu viel Platz wegnehmen und vor allem darf es nicht viel wiegen. Das meiste Gewicht und der meiste Platz kommen dabei vom Wasser im Essen. Der Vorteil, wenn man auf/an einem See Urlaub macht ist, Wasser ist nie weit weg ?. Das Wasser aus den Seen in Schweden ist eigentlich ohne Probleme trinkbar. Man sollte nur darauf achten, es aus ca. 1 m Tiefe aus dem See zu holen, da es dann deutlich sauberer ist. Wer dennoch etwas skeptisch ist, kann das Wasser auch abkochen. 

Um also Gewicht und Platz zu sparen (auch für das Fliegen) empfiehlt sich die klassische Outdoor-Fertignahrung. Neben diversen Pasta- und Reisgerichten hatten wir auch Milch- und Eipulver dabei (unverzichtbar für Pfannkuchen, hmm). 

Den Rest konnten wir in Bengtsfors und später auch unterwegs einkaufen und durch das Hausboot hatten wir dann eigentlich auch kein Problem mehr mit Platz oder Gewicht. 

Uns kam es übrigens nicht so vor, das Lebensmittel in Schweden überaus teuer sind (abgesehen vom Alkohol). Wichtig: Schweden ist kein Euroland, Ihr müsst Euch also vorher, z.B. am Flughafen, mit Schwedischen Kronen eindecken. Man sollte sich nicht darauf verlassen, überall mit Karte zahlen zu können. 

Unterkunft 

Unsere Unterkunft war zugleich das wohl außergewöhnlichste Fortbewegungsmittel, das wir bis dahin genutzt haben. Das Hausboot selbst bestand im Wesentlichen aus 2 Plattformen, jeweils ca. 25 qm groß, die unterschiedlich hoch montiert waren. 

Auf der hinteren Plattform, die etwas höher war, stand das eigentliche Häuschen. Das war ca. 13 qm groß, hatte einen kleinen Kleiderschrank, Küchenzeile mit 2 Gaskochern (daher konnten wir trotz des Feuerverbotes drinnen kochen), einem Schlafsofa, einem Tisch und 2 Stühlen. Es gab sogar einen Kühlschrank, der mit Gas betrieben wurde, so dass gekühlte Lebensmittel und Getränke kein Problem waren. Außerdem 3 Lampen und eine Steckdose. Der dafür notwendige Strom kam von einer Autobatterie die Tagsüber über Solarmodule auf dem Dach aufgeladen wurde. Auf der Rückseite des Häuschens gab es einen kleinen Anbau in dem sich die Campingtoilette, Batterie und Gasflasche befand. 

Die vordere, niedrigere Plattform diente zum einen als Schwimmplattform (es gab auch eine Badeleiter) und als Verbindung zum Boot. 

Gezogen wurde das ganze Konstrukt von einem kleinen Motorboot mit einem 10 PS Außenbordmotor. Zum „tanken“ hatten wir einen vollen 20 Liter Benzinkanister mit an Bord. Das Boot wurde quasi „angedockt“ und über Metallstreben mit der Plattform verbunden. Das Boot selbst konnte dann frei nach oben und unten schwingen, allerdings nicht nach rechts oder links. Das führt dann dazu, dass man beim Steuer umdenken muss. Wenn man also nach Backbord (links für die Landratten unter Euch) drehen wollte, dann musste man das Ruder nach Steuerbord (also rechts) legen. Hätte sich das Boot frei bewegen können, dann hätte der Außenbordmotor das Heck des Bootes bei Steuerbordruder nach links gedrückt und das Boot hätte sich um seine eigene Achse nach rechts gedreht (da der Motor hinter der Drehachse des Bootes liegt). Da das Boot aber Steif mit der Plattform verbunden war konnte es sich nicht drehen und jetzt lag der Motor auch vor der Drehachse der Plattform. Stattdessen hat der Außenbordmotor also den Bug nach links gedrückt so dass man also eine Linksdrehung vollzog. Klingt etwas kompliziert aber man hat den „Dreh“ relativ schnell raus. 

Unser kleines Hausboot (Bild: Björn Gosdzik)

Auch das Anlegen bzw. Ankern war etwas speziell. Wir hatten einen Anker mit einer ca. 60 m langen Ankerleine an Bord. Zum Ankern hat man das Boot zunächst ca. 50 m vor dem Ufer mit dem Heck zum Ufer positioniert. Dann lässt man den Anker bis auf den Grund fallen und fährt dann rückwärts Richtung Ufer. Dabei muss man überprüfen, dass der Anker auch gut hält. Wenn das Heck der Plattform dann ca. 5-6 m vom Ufer entfernt ist sollte der Anker festsitzen und die Ankerleine in einem flachen Winkel ins Wasser laufen. Jetzt muss man nur noch ein Seil von einer Ecke des Hecks an das Ufer bringen, um ein oder zwei kräftige Baumstämme führen und am anderen Ende des Hecks wieder fest machen. Für diesen letzten Teil sollten wir eigentlich das Boot abkoppeln und dann an das Ufer rudern (nachdem man zuvor den Außenbordmotor hochgeklappt hat um den Propeller im flachen Wasser nicht zu beschädigen). Das hat uns aber viel zu lange gedauert, da die Plattform schon mal recht schnell durch ein bisschen Wind abgetrieben wird. Daher ist immer einer von uns (meistens Claudia) schnell mit dem Seil ins Wasser gesprungen und ans Ufer geschwommen oder gelaufen (da das Wasser dann meistens schon recht flach war). 

Unterwegs 

Für die Fahrt auf dem See Lelang bekommt man vom Bootsverleiher eine Binnenschifffahrtskarte, die schon recht detailliert ist. Das ist wichtig, da man sich nur so an den wenigen Schifffahrtszeichen, Inseln oder Häuser und Dörfer am Ufer orientieren kann. Außerdem haben wir ein paar Tipps zu guten Ankerplätzen erhalten. Das sind meistens Buchten die einen guten Schutz vor Wind bieten. Es macht ist auch hilfreich sich über Apps wie z.B. Windfinder über den aufziehenden Wind und die Windrichtung für den nächsten Tag zu informieren um abends auf der „richtigen“ Seite des Sees zu ankern. 

Die 10 PS des Motors entschleunigt die ganze Reise ungemein. Selbst Kajakfahrer waren schneller als wir, wobei wir auch eine eher spritschonende Fahrweise gewählt haben. Bei Vollgas kam der Motor dann aber auch gegen 1 m hohe Wellen nicht mehr an. Das mussten wir am vorvorletzten Tag feststellen als ein kleiner Sturm aufzog und wir bereits nach einem halben Tag nicht mehr vorwärtskamen (bzw. sogar Rückwärts fuhren). Uns blieb dann nur noch die Möglichkeit eine geschützte Bucht anzulaufen und den Sturm abzuwarten. 

Auf Grund der geringen Geschwindigkeit und der Tatsache, dass man auch die gleiche Strecke wieder zurück fahren muss kommt man natürlich in einer Woche nicht sehr weit. Daher stand für uns also nicht wie bei der geplanten Kajaktour das Vorrankommen im Vordergrund, sondern einfach nur gemütliche Zeit auf dem Hausboot. 

Was haben wir sonst noch erlebt? 

Natürlich haben wir nicht nur Zeit auf dem Hausboot verbracht. Da wir das Boot abkoppeln konnten ist man unabhängiger und kann das Hausboot auch einfach mal am Ankerplatz liegen lassen um ein bisschen die Gegen erkunden. Außer an privaten Anleger darf man auch überall mit einem Boot fest machen. 

  • Von Torrskogs
    am Westufer des Lelang haben wir eine schöne Wanderung auf einen kleinen Hügel
    mit Aussichtsplattform gemacht 
  • In Gustavsfors
    gibt es ein Outdoor-Zentrum, in dem man sich auch mal für einen Tag ein Kajak
    oder Mountainbikes ausleihen kann. Außerdem ein Supermarkt um neue Lebensmittel
    zu kaufen und eine Tankstelle um zu tanken. Gustavsfors ist in einem Nebenarm
    des Lelang auf der Ostseite des Sees gelegen:
    • Mountainbike
      fahren:
      Man sollte nicht erwarten, wirklich
      professionelle Mountainbikes zu bekommen, sondern eher Fahrräder im
      Mountainbike-Look. Das reicht aber auch, da es so etwas wie Single-Trails
      zumindest in dieser Gegend nicht gibt. Dennoch haben wir eine nette Runde
      gedreht und sind dabei meistens auf einer Schotterpiste gefahren (die dort aber
      eine richtige Straße ist). 
    • Kajak
      fahren:
      für einen Tag hatten wir uns einen
      Zweierkajak ausgeliehen. Da es in Gustavfors eine Schleuse gibt, die den Lelang
      mit dem See Västra Silen verbindet haben wir die Gelegenheit genutzt auch mal
      einen anderen See zu erkunden. 
  • In der
    Nähe von Bengtsfors gibt es ein Elchfarm, wenn man also schon keine Elche
    in freier Wildbahn zu Gesicht bekommt, dann kann man das hier nachholen. 

Was war sonst noch großartig? 

  • Die Ruhe.
    Keine Autos, Flugzeuge oder sonst irgendwie Lärm der Zivilisation. 
  • Die
    Einsamkeit. Obwohl wir in der Hauptsaison dort waren haben wir auf dem See selbst
    nur ganz wenige Leute getroffen. Auch ein Vorteil, wenn man auf dem Wasser
    übernachten kann. Wir haben vom Wasser auch einige Lagerplätze gesehen, die
    schon recht früh sehr voll waren. 
  • Keine
    Mücken. Noch ein Vorteil, wenn man auf dem Wasser übernachtet, weiter als 4-5 m
    kommen die Mücken nicht auf das Wasser. 
  • Morgens
    statt zu duschen einfach in den See zu springen. 

Weitere Bilder findet Ihr unter:
https://500px.com/bgosdzik